Nena in St. Wendel (foto: Fiege)

Live: Nena in St. Wendel – Die Leichtigkeit bewahrt

Nachdem Weltstar Gianna Nannini zum Auftakt des Bosenbachfestivals im saarländischen St. Wendel am Donnerstag zuvor rund 4000 Zuschauer gezogen hatte, lockte die deutsche Pop-Ikone Nena am Freitagabend nur etwa halb so viele Fans ins Stadion. Aber die waren hart im Nehmen.

Es ist dem kühlen Kopf von Stanislaw Petrow zu verdanken, dass die Welt am 26. September 1983 nicht in einem Atomkrieg versunken ist. Damals  meldete ein satellitengestütztes optisches Frühwarnsystem der Sowjets den Start  von fünf Interkontinentalraketen von Stützpunkten der USA aus. 

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Petrow,  Offizier der sowjetischen Luftverteidigungsstreitkräfte, schob gerade Dienst in der Kommandozentrale des Frühwarnsystems – und ordnete diese Warnungen glücklicherweise erst einmal als Fehlalarme ein. Seine Besonnenheit verhinderte wohl einen möglichen nuklearen Vergeltungsschlag der Sowjets. 

So entstanden die „99 Luftballons“Es klingt fast schon unheimlich hellsichtig, dass sich Carlo Karges, seinerzeit Gitarrist der Nena-Band (2002  verstorben), schon ein Jahr zuvor Gedanken über ein ganz ähnliches Szenario gemacht hatte, inspiriert von Ballons, die er auf einem Konzert der Rolling Stones in Berlin sah. Diese Überlegungen verarbeitete er in den Lyrics zu einem Song, der Nena zur bundesrepublikanischen Pop-Ikone werden lassen sollte: „99 Luftballons“.

Nena hat diese Nummer, die damals Platz eins der deutschen und Platz zwei der US-amerikanischen Charts erreichte (ein Kunststück, das bis heute nicht wahnsinnig vielen deutschsprachigen Songs gelang) an diesem Abend in St. Wendel als großes Finale des Hauptteils ihres Sets gepackt.

Ein wichtiges Stück deutscher Popgeschichte

Und irgendwie jagt einem dieser Track, den man doch schon tausendmal gehört hat, gleich einen doppelten Schauer über den Rücken. Einerseits natürlich einen wohligen, nostalgischen Schauer. Man hat hier gerade immerhin die Gelegenheit, ein Stück deutsche Pop-Geschichte live hören zu können. Andererseits ist es natürlich ziemlich gruselig, dass diese Nummer, die dem Höhepunkt des Kalten Kriegs aufgenommen wurde, knapp 40 Jahre später wieder so aktuell ist.

Dass „99 Luftballons“ immer noch funktioniert, wird schon nach den ersten Noten deutlich. Es dauert nur Sekundenbruchteile, als der Song angespielt wird, und das Publikum hat ihn erkannt. Die Zuschauer liegen sich in den Armen, es wird getanzt, die Stimmung im Bosenbachstadion ist auf ihrem Höhepunkt.

Da stört es  die 2000 Fans auch nicht weiter, dass Nena den Song eigentlich verhaut. Das Timing stimmt hier und da nicht, manche Songzeilen gehen verloren. Es scheint, als hätte Nena Probleme mit dem Ear-Piece. Ob es nun die Technik war oder etwas anderes, auch später, bei der ersten Zugabe, „Irgendwie, irgendwo, irgendwann“ ist das Problem noch nicht behoben.

Bei den Hits ist der Wurm drin

Schade, ausgerechnet bei den beiden Überhits ist an diesem Abend der Wurm drin. Denn repräsentativ ist das für diesen Auftritt nicht. Zuvor und auch bei den letzten beiden Zugaben zeigt sich Nena, mittlerweile ja auch schon 65 Jahre alt, in starker Verfassung. Stimmlich in guter Form, energetisch, mit einnehmender Bühnenpräsenz. Zwei Stunden lang nimmt die Neue-deutsche-Welle-Ikone die Zuhörer mit auf eine Reise durch ihre lange, illustre Karriere, in der sie mehr als 25 Millionen Tonträger verkauft hat. Die Frau hat sich ihre Leichtigkeit bewahrt, verströmt immer noch eine gewisse Jugendlichkeit, ist nahbar, nimmt zwischenzeitlich sogar ein Bad in der Menge.

Zu den großen Glanzlichtern gehören am Freitag „Zusammen“ (1985), erschienen auf dem letzten, gefloppten Album „Eisbrecher“ der Nena-Band. Gut gealtert aber, die Nummer. Auch „Leuchtturm“, das in „Blitzkrieg Bop“ (im Original von den Ramones) übergeht, „Nur geträumt“ und „Licht“ aus dem bis dato letzten Nena-Album (2020) stechen positiv heraus. Das Publikum geht sowohl bei den alten als auch bei den neueren Songs gut mit, lässt sich die Stimmung auch von einem kurzen Regenschauer nicht verderben.

Auch Nenas Sohn Sakias ist dabei

Apropos „Stimmung verderben“: Mit politischen oder esoterischen Aussagen, mit denen Nena in den vergangenen Jahren immer wieder angeeckt ist, hält sie sich derzeit zurück. Sowohl auf Social Media als auch in St. Wendel. Es bleibt bei einer vagen Friedensbotschaft, die auch Nenas Sohnemann Sakias mit einer Solo-Performance seiner Single „Wir kommen in Frieden“ untermauern darf.

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