Manchmal kommt es anders, als man denkt. Eigentlich hatte Pop-Avantgardistin Cate Le Bon ein ganz anderes Album geplant. Dann führten ihre Emotionen beim Schreiben der Songs allerdings zu dem, was nun „Michelangelo Dying“ heißt und via Mexican Summer erschienen ist.
Es ging Cate Le Bon zuletzt nicht gut. Herzschmerz. Und das so richtig. Die 42-Jährige betrauerte das Ende einer langen Beziehung. Die Trennung wirbelte das Leben der in Cardiff lebenden Musikerin gehörig durcheinander, sie litt auch gesundheitlich darunter. Ein Album, das eigentlich schon 2024 erscheinen sollte, wurde erst einmal auf Eis gelegt. Im britischen „Guardian“ sagte sie, die Trennung habe sich wie eine Amputation angefühlt, die man natürlich nicht wollte, von der man aber wusste, dass sie notwendig war, um sich zu retten. Viel mehr wollte Le Bon dazu nicht sagen, „Michelangelo Dying“, das Album, das sie stattdessen aufnahm, sei nun auch kein Album über den Ex, sondern eher eine Platte darüber, dass man sich lange in einer Fantasie verloren hat, sich im Moment der großen Liebe praktisch selbst aufgegeben hat.
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Die neue Platte, so heißt es im Waschzettel, sei im Grunde der Versuch gewesen, eine Wunde zu fotografieren, bevor sie sich schließt, dabei aber auch an ihr herumstochert. Es sei sogar eine Art Exorzismus für die Künstlerin gewesen. „Michelangelo Dying“ ist auf der griechischen Insel Hydra, in Cardiff, London und Los Angeles entstanden und wurde schließlich in der kalifornischen Wüste fertiggestellt.
Le Bon folgt ihrem Kompass
Es ist ein Album, das sich um die vielen Zustände der Liebe und ihre Folgen dreht. Le Bon bleibt dabei auf dem eingeschlagenen Weg, eher abstrakt zu arbeiten. Auf „Michelangelo Dying“ ist entsprechend ebenso viel ungesagt – oder eher verschleiert – wie ausdrücklich gesagt. Le Bon beweist hier, dass ein Trennungsalbum keinem Klischee entsprechen muss.
Musikalisch gibt es derweil eine Fortsetzung und Erweiterung eines Sounds ihrer letzten beiden Platten, „Reward“ (2019) und „Pompeii“ (2022). Die Melodie spielte und spielt eine untergeordnete Rolle. Es geht mehr um Texturen und Flächen. Le Bon, mittlerweile selbst eine gefragte Produzentin (etwa für Wilco, Horsegirl, Devendra Banhart und St. Vincent), hat hier Unterstützung von Samur Khouja bekommen. Sie erklärt: „Es gibt diese Idee, dass man alles selbst machen könnte, aber der Wert, jemanden zu haben, dem man vollkommen vertraut, so wie ich Samur, der dein Co-Pilot ist, erlaubt es dir, dich völlig zu verlieren, weil du weißt, dass du im richtigen Moment wieder zurückgeholt wirst. Wir haben es geschafft, uns im Studio leise als Einheit zu bewegen.“
Die Glanzlichter
In ähnlicher Weise ist Le Bons langjährige Zusammenarbeit mit dem Saxophonisten Euan Hinshelwood ein Hauptbestandteil ihrer Klanglandschaft. „Im Laufe der Jahre der Zusammenarbeit hat Euan sein Spiel vom Traditionellen abgekoppelt, um die emotionale Frequenz unterzubringen, die ich von ihm verlangt habe. Auf dieser Platte ist es vor allem die Stimme, die übernimmt, wenn Worte zu konkret für das Gefühl sind.“ Ihm zur Seite stehen ähnlich enge Freunde – Paul Jones am Klavier, Dylan Hadley am Schlagzeug und Valentina Magaletti an Schlagzeug und Percussion. Und dann ist da noch Musiklegende John Cale, der hier einen Auftritt auf dem schwermütigen „Ride“ hat. Großes Kino.
Das generationenübergreifende Duett mit Landsmann Cale ist sicherlich einer der großartigsten Momente des Albums. Auch das geradezu hypnotische „Mothers of Riches“, das am Ende sogar Richtung Shoegaze kippt, gefällt. In „Heaven Is No Feeling“ werden immer wieder unbeantwortete Fragen gestellt („Hello?“, „What does she want?“), denn da ist niemand mehr, der sie beantworten könnte. Die Nummer bohrt sich dem Hörer direkt ins Herz.
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