„No Place To Run“ aus dem Jahr 1980 ist eine Zäsur im Schaffen von UFO. Es ist das erste Album nach Michael Schenker, das erste mit Paul Chapman an den Saiten, dazu der Einfluss von Beatles-Produzent George Martin. Jetzt wird die von UFO-Fans sträflich unterschätzte Platte als Deluxe-Edition neu aufgelegt.
Keine Frage: Die Geschichte von UFO ist eine der Auf und Abs. Das lässt sich schon an der ellenlangen Mitglieder-Liste der britischen Hard-Rock-Band ablesen. 1969 in London gegründet, feierte die Kapelle um Sänger Phil Mogg ihre größten Erfolge in der sogenannten Schenker-Ära. Sprich: in der Zeit, als das frühere Scorpions-Mitglied Michael Schenker bei den Londonern in die Gitarren-Saiten griff. Schenker stieß 1973 zur Band, und das kam so: Weil dem eigentlichen Gitarristen Bernie Marsden wegen eines vergessenen Reisepasses die Einreise verweigert wurde, als sich die Band gerade auf eine Deutschland-Tour aufmachte, heuerten UFO kurzerhand den Gitarristen ihrer Vorband, der Scorpions, für die Tour an. Michael Schenker. Kurz darauf wurde er fest verpflichtet.
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Und obwohl der Mann kein Englisch sprach, wurde er schnell zum integralen Bestandteil der Band und steuerte auch einen großen Teil der Kompositionen bei. Zum ersten Mal ist das auf dem Album „Phenomenon“ (1974) zu bestaunen, das die Klassiker „Doctor Doctor“ und „Rock Bottom“ abwarf. Mit Schenker verabschiedete sich die Band von ihrem psychedelischen Stil und orientierte sich mehr am Hard Rock der Zeit. Sie wurde also auch deutlich kommerzieller.
Schenker raus, Chapman rein
Zwar ritt die Band recht erfolgreich durch die 1970er Jahre, Schenker hatte aber mehr und mehr mit Drogen-Problemen zu schaffen und überwarf sich auch mit UFO-Sänger Mogg. 1978 stieg er schließlich aus der Band aus und gründete später die Michael Schenker Group. Sein Ersatzmann bei UFO wurde Paul Chapman. Der war für die neuen Kollegen kein Unbekannter, hatter er doch schon in der Vergangenheit mit der Band zusammengearbeitet. Gemeinsam machte man sich ans Werk, um am achten UFO-Longplayer zu arbeiten: „No Place To Run“. Mit George Martin holte man sich den legendären Produzenten der Beatles an Bord. Auch beim Setting wurde geklotzt und nicht gekleckert. Martin lud die Band für die Aufnahmen in seine neu eröffneten AIR Studios in Montserrat in der Karibik ein.
44 Jahre sagt Phil Mogg über das Album und seine Entstehung: „Die Sache, die mir von den Aufnahmen zu „No Place To Run“ in Erinnerung geblieben ist, war das komplette Missmatch zwischen UFO und George Martin, der ein netter Kerl war. Nichts fasste es besser zusammen, als wenn George zu Geoff, dem Toningenieur, sagte: ‚Nun Geoff, es ist sechs Uhr Zeit für einen Gin & Tonic auf der Veranda.‘ Wie zivilisiert!“
Die Glanzlichter
Klar, die Fans nahmen „No Place To Run“, das auf ein gefeiertes Live-Album folgte, eher skeptisch auf. Die personellen Wechsel, der neue, jetzt doch eher polierte, pop-rockige Sound, das war für Puristen schwer verdaulich. Und ja, einen Blockbuster-Hit wie „Doctor Doctor“ warf das gute Stück auch nicht ab. Dennoch wurde die Platte seinerzeit unterschätzt. Denn schlecht war sie nicht. Mit dem sehr melodischen „Lettin‘ Go“ und „The Fire Burns Tonight“ hat’s ein paar anständige Hard-Rock-Nummern. Das Instrumental-Intro „Alpha Centauri“: überaus atmosphärisch. Das Elvis-Presley-Cover „Mystery Train“ schaffte es wegen Materialmangels auf die Platte, war aber keine Verlegenheitsnummer, sondern gehört tatsächlich zu den Highlights der LP. Das ist auch Chapmans Spiel geschuldet. Der Titeltrack kann sich hören lassen, eigentlich eine typische UFO-Nummer. „Young Blood“ (das stark an The Sweet erinnert) und das ruhige „Take It Or Leave It“ sind derweil eine Spur zu sehr fürs Radio gemacht. Keine schlechten Songs, klar, aber für den geneigten UFO-Fan gewöhnungsbedürftig.
Der Klang der Neuauflage ist top, der Sound satt. Die LP kommt schick verpackt daher, die Liner Notes von Michael Hann („The Guardian“) sind lesenswert. Neben dem remasterten Album enthält die Wiederveröffentlichung überdies einen neuen und bisher unveröffentlichten Mix des Konzertes „Live at The Marquee, London, 16th November 1980“, der von Brian Kehew von den Original-Mehrspurbändern abgemischt wurde und einen kraftvollen, frischen Sound bietet. Nur drei Titel des Konzerts wurden jemals offiziell veröffentlicht (‚Lettin‘ Go‘, ‚Mystery Train‘ und ‚No Place to Run‘). Die anderen elf Tracks aus dieser legendären Show waren bisher nicht erhältlich. Der Livemitschnitt des Songs „Making Moves“ ist nur auf digitalen Streaming-Plattformen abrufbar.
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