Eine Show ganz im Zeichen seines Debütalbums: James Blunt lässt 5500 Fans am Donnerstag in Schwetzingen vor allem in Erinnerungen schwelgen.
Es gibt nicht viele Musiker, die von sich behaupten können, vielleicht den Dritten Weltkrieg verhindert zu haben. James Blunt gehört zu diesem überschaubaren Kreis. Und das kam so: Der Brite stammt aus einer Familie mit langer Militärtradition, und so stand es auch für ihn außer Frage, zur Armee zu gehen. Blunt landete dort zunächst bei den Life Guards, einem Gardekavallerieregiment, und schloss sich später freiwillig den Blues and Royals an, die als Nato-Aufklärungseinheit im Kosovo-Konflikt eingesetzt wurde. Im Juni 1999 erhielt seine Einheit den Befehl, den Flughafen bei Pristina zu erobern, der gerade von rund 200 russischen Soldaten besetzt war.
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Captain Blunt verweigerte aber den Befehl, der von Nato-Oberbefehlshaber US-General Wesley Clark kam, und erhielt dabei Rückendeckung des Generals Mike Jackson, der sich damals ebenfalls widersetzte und Clarke entgegnete: „Wir fangen hier nicht den Dritten Weltkrieg für Dich an.“
„No Bravery“ erschreckend aktuell
Eine Anekdote, die Blunt mal in einem Interview mit einem BBC-Radiosender vom Stapel ließ. Und eine, an die er sich sicher erinnert, wenn er den Song „No Bravery“ singt, der zwar den Kosovo-Konflikt verhandelt, dessen Textzeilen so aber auch auf jeden anderen Krieg anwendbar sind. Die Nummer, 2004 auf Blunts Debütalbum veröffentlicht, ist damit immer noch erschreckend zeitgemäß.
„No Bravery“ steht auch an diesem Abend in Schwetzingen auf der Setlist, und Blunt ist sich der schmerzhaften Aktualität des Songs natürlich voll bewusst. Seine Performance geht unter die Haut, ist überaus eindringlich, man spürt in jeder Zeile die Emotion und die Erinnerung, die ihn ihm aufsteigen.
Klar, ein bisschen steht das Lied im Kontrast zum sonstigen Vibe des Abends. Blunt ist eigentlich einer, der sich selbst nicht zu ernst nimmt, und das trotz der Erfolge, die der Musiker aus England in seiner mehr als 20 Jahre währenden Karriere gefeiert hat. Er ist einer, bei dem die Ansagen zwischendurch fast so unterhaltsam sind wie die Songs selbst. „Ich habe sieben Alben veröffentlicht, aber eigentlich wollen die Leute nur eins davon hören“, sagt er und lacht.






Debütalbum im Fokus
Genau dieses eine Album steht dann auch im Fokus des Abends: „Back To Bedlam“, Blunts Debütalbum, das im vergangenen Oktober 20 Jahre alt wurde, und mit dem der mittlerweile 51-Jährige daher sozusagen auf Jubiläumstour ist. Das gibt ihm die Gelegenheit, die Platte in Gänze auf die Bühne zu bringen.
Das tut er auch, und ordnet die Songs dabei in chronologischer Reihenfolge an. Obwohl das zur Folge hat, dass er seine größten Hits, darunter „You’re Beautiful“, gleich zu Anfang verschießt. Derlei Material heben sich Künstler sonst eher für das Finale einer Show auf. Dem ist sich natürlich auch Blunt bewusst, und so sagt er nach den ersten drei Songs trocken: „Das waren jetzt im Grunde meine Hits. Wenn jetzt einer geht, bin ich nicht böse, ab jetzt geht’s ja eigentlich nur noch bergab.“
Ein Angebot, das von den rund 5500 Fans zum Glück offenbar niemand angenommen hat. Selbst die zwölf von ihrer Partnerin mitgeschleiften männlichen Zuschauer nicht, die sich auf Publikumsabfrage Blunts hin als solche outen. Sie hätten auch etwas verpasst, denn Blunt ist an diesem Abend in Top-Form, auch wenn die Stimme etwas kratziger scheint als gewöhnlich. Ließ die Songs aber umso erwachsener, umso reifer wirken.
Neues Album stiefmütterlich behandelt
Natürlich ist Blunt nie wieder ein zweites „Back To Bedlam“ gelungen, aber dass er danach keine Hits mehr hatte, das ist natürlich ein bisschen Koketterie von ihm gewesen. Denn auf der Setlist in Schwetzingen finden sich so einige Nummern aus späteren Blunt-Werken, die selbst der Nicht-Fan kennt. Nach so eingängigen Songs und Radio-Lieblingen wie „1973“, „Bonfire Heart“ oder „Postcards“ (das auch von Jason Mraz sein könnte) würde sich so mancher Singer-Songwriter der jüngeren Generation die Finger lecken.
„Back To Bedlam“ mag in Schwetzingen im Fokus gestanden haben, zu hören sind aber Songs aus sechs der sieben Blunt-Alben. Nur das letzte, „Who We Used To Be“ (2023), behandelt der Brite stiefmütterlich. Kein einziger Song daraus ist am Donnerstagabend zu hören.
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