Tanita Tikaram in Karlsruhe (foto: Fiege)

Live: Tanita Tikaram in Karlsruhe – Die Oboe klagt nicht mehr

Mit „Twist In My Sobriety“ landete Tanita Tikaram 1988 einen Welthit. Die 56-jährige Singer-Songwriterin brachte ihn mit ins Tollhaus in Karlsruhe. Und überraschte damit.

Die Oboe fehlte. Sie ist neben Sängerin Tanita Tikaram der eigentliche Star des Hits „Twist In My Sobriety“, sie klagte darin so wunderbar wehmütig und erinnerungswürdig, dass der Song aus dem Jahr 1988 auch heute noch im Radio gespielt wird und im kollektiven Pop-Gedächtnis fest verankert ist. Zwar hatte Tanita Tikaram am Mittwochabend im Tollhaus sechs Instrumentalisten dabei, einen Gitarristen, einen Bassisten, einen Drummer, eine Cellistin (die auch mal am Piano aushalf, wenn Tikaram dort gerade nicht selbst in die Tasten griff), einen Akkordeonisten und eine Geigerin. Aber eben keinen Oboisten.

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Sei’s drum. Für einen richtigen Nostalgie-Kick hat’s auch so gereicht. Tikaram hatte den Song, ihren einzigen richtig großen Hit, nicht in den Zugaben-, sondern in den Hauptteil des Konzerts gepackt. Das kam zumindest für einen Konzertbesucher völlig überraschend, der strategisch günstig vor den Zugaben, in denen er den Hit wohl vermutete,  noch eben schnell eine Toilettenpause einlegen wollte. Er kehrte zurück, als „Twist In My Sobriety“ gerade ausklang, sein Entsetzen, sein Schmerz, ausgerechnet diesen Song nun verpasst zu haben, war auch mehrere Stuhlreihen dahinter noch greifbar.

Das Mysterium bleibt

Was den armen Konzertbesucher da  vielleicht zumindest etwas trösten könnte: Das Rätsel um die Lyrics des Songs hat Tanita Tikaram auch an diesem Abend lüften können. So richtig, das hat sie ja in früheren Interviews schon zugegeben, weiß sie es ja auch selbst nicht, was es mit dem Text ihres Welthits eigentlich auf sich hat. Sie habe damals, als sie den Song schrieb, viel gelesen, und schöne Formulierungen und Sprachbilder, die sie in Büchern fand, zu einem Songtext verdichtet. Ihr ging es seinerzeit eher um die Poesie, die Atmosphäre des Stücks, weniger um den Inhalt. An dem knobelt sie aber mittlerweile selbst, ist mit der Entschlüsselung des eigenen künstlerischen Schaffens aber nicht wirklich weitergekommen. „Aber ist das nicht irgendwie auch schön, dass der Song so etwas Mystisches behält?“, fragte sie das Karlsruher Publikum. Kein Widerspruch.

19 war sie, als sie mit „Twist In My Sobriety“ und dem Album „Ancient Heart“ den Durchbruch schaffte. Damals wurde sie mit Größen wie Tracy Chapman und Suzanne Vega verglichen. Zwar hat sie über die Jahre mehrere Alben veröffentlicht, an den Erfolg des Debüts konnte die in Münster geborene Britin (ihr Vater stammt von der indischen Bevölkerung der Fidschi-Inseln ab, ihre Mutter ist Malaysierin) aber nicht mehr anknüpfen.

Fokus auf neuer Platte

Doch auch wenn ein weiterer großer Hit ausblieb, gute Musik hat sie trotzdem immer gemacht. Davon konnte man sich in Karlsruhe überzeugen, wo Tikaram die Zuschauer mit auf einen musikalische Ritt durch den eigenen Katalog nahm. Der Fokus lag natürlich einerseits auf „Ancient Heart“, andererseits aber auch auf ihrem neuen Album „LIAR (Love Isn’t A Right)“, das erst vor wenigen Tagen auf den Markt gekommen ist.

Die neuen Songs bestanden den Live-Härtetest, mussten den Vergleich mit den bereits bekannten Songs (abzüglich „Twist in My Sobriety“) nicht scheuen. Viele der neuen Nummern sind von einer gewissen Schwermut gekennzeichnet, Tikaram, das merkt man, hadert mit dem Zustand der Welt, mit der allgegenwärtigen Polarisierung, und fühlt sich in ihrem eigenen Heimatland als lesbische Frau und Person of Color mittlerweile wie eine Fremde. Songs wie „Turning the Lights Down Low“ erzählen davon.

Gegen Ende des Konzerts steuerte Tikaram aber dann doch noch einmal dagegen, wollte ihr Publikum also offenbar  nicht mit dunklen Regenwolken über dem Kopf in die Nacht entlassen. Mit dem optimistischen „I See A Morning“ (neu), dem immer noch tanzbaren „Good Tradition“ (aus dem Debüt)  und – als letzte Zugabe – dem Cover von John Paul Youngs Disco-Klassiker „Love is in the Air“ vertrieb das Kammer-Pop-Ensemble den Kummer.

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