Roger Waters (foto: fiege)

Live: Roger Waters in Mannheim

„Was Roger Waters schon immer mal sagen wollte“: So oder so ähnlich hätte der Untertitel zu der Show lauten können, die die frühere Pink-Floyd-Legende am Montagabend anlässlich ihrer „Us+Them“-Tour in der ausverkauften Mannheimer SAP-Arena gab.

Der große Eklat blieb in Mannheim aus. Als der Brite am Freitag und Samstag in Berlin gastierte, war das noch anders. Da stürmten aufgebrachte Zuschauer offenbar buhend und pfeifend aus der Arena, als Waters wieder mal zu einer seiner politischen Tiraden ansetzte. Die Pause vor der Zugabe „Comfortably Numb“ ist ein solcher Moment, den der Pink-Floyd-Gründer gerne für seine Provokationen nutzt. Dann holt er nämlich aus, gibt noch schnell pflichtbewusst zu Protokoll, kein Antisemit zu sein, um dann das Publikum lang und breit über seine Unterstützung der Kampagne „Boycott, Divestment and Sanctions“ (BDS) zu informieren. Bei dieser transnationalen Bewegung handelt es sich um eine pro-palästinensische Kampagne, die den Staat Israel politisch, wirtschaftlich und kulturell isolieren will. Viele Politikwissenschaftler ordnen die Ziele dieser Bewegung als mindestens antizionistisch ein, also gegen den Staat Israel gerichtet. Andere halten sie sogar für antisemitisch.Waters unterstützt BDS seit rund zehn Jahren, wie er dem Publikum voller Stolz entgegen schmetterte. Das sieht dann zum Beispiel so aus, dass er sich mit Künstlern wie Nick Cave, die in Israel auftreten, öffentlich heftige Auseinandersetzungen liefert. Der TV-Sender WDR hat vor diesem Hintergrund Ende 2017 alle Verbindungen zu Waters gekappt und sich aus der geplanten Präsentation seines Köln-Konzerts in diesem Juni herauszogen.

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In Mannheim war das Publikum nicht in Boykott-Stimmung, die Arena war ausverkauft und blieb auch bis zum Schluss voll besetzt. Niemand stürmte buhend und pfeifend aus der Halle, auch nicht, als Waters die Pause dazu nutzte, in Großbuchstaben seine politischen Botschaften via Bildschirm unters Volk zu bringen. Ob Facebook-Gründer Mark Zuckerberg, US-Präsident Donald Trump oder die neue CIA-Chefin Gina Haspel – sie alle bekamen ihr Fett weg. Zwischendurch wurden die Zuschauer auch noch aufgefordert, die Weltmeere nicht zu verschmutzen. Und, ach ja, das mit dem Kapitalismus ist natürlich auch eine fiese Nummer. Alles „pigs“, also Schweine, diese gierigen Bonzen. Wie sehr zu dieser Weltanschauung Ticketpreise von rund 90 Euro aufwärts, Tour-Programme für 20 Euro und T-Shirt-Preise für mindestens 35 Euro passen, bleibt Roger Waters’ kleines Geheimnis.

Das Publikum ließ Waters’ geistige Ergüsse stoisch über sich ergehen, als wäre er ein unliebsamer Verwandter auf einer Familienfeier, den man eben einladen muss, weil die Oma es so will. Und weil er wenigstens musikalisch eben doch auch mit über 70 über alle Zweifel erhaben ist. Wenn Waters diese ganzen großen Pink-Floyd-Klassiker auf die Bühne bringt, dann sind das immer noch magische Augenblicke. Songs wie „Wish You Were Here“, „Money“ oder „Welcome To The Machine“ klingen natürlich anders, epischer, wenn Waters sie performt als wenn sie irgendeine Pink-Floyd-Tribute- oder Cover-Band auf dem Dorffest spielt. Auch, weil die Präsentation natürlich bombastisch ist und Waters tief in die visuelle Trickkiste greift. Schweine fliegen, die ikonische Industrie-Landschaft, die auf dem Cover des Pink-Floyd-Albums „Animal“ zu sehen ist, senkt sich als Screen von der Hallendecke, und am Ende schwebt auch das Prisma von „Dark Side Of The Moon“ über den Köpfen des Auditoriums. Faszinierend. Ebenso wie der Kinderchor in Häftlingskleidung, den Waters bei „Another Brick In The Wall“ aufmarschieren lässt. Mannheimer Kinder, wie er sagt. Es ist ein eindrucksvolles Bild.

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Die Setlist bestand an diesem Abend vornehmlich aus Pink-Floyd-Songs von den großen vier Alben der Band, „Dark Side Of The Moon“, „The Wall“, „Animals“ und „Wish You Were Here“. Hier und da baut Waters auch mal einen Solo-Song ein. 2017 erschien „Is This The Life We Really Want?“, sein erstes Studioalbum nach 25 Jahren. „Déjà Vu“ und „Picture That“ hatte Waters hier etwa im Gepäck. Höflicher Applaus, keine schlechten Nummern, das Publikum war aber – wenig überraschend – eher in Pink-Floyd-Stimmung.

Und so ist es irgendwie schade, dass sich ein so herausragender Musiker, einstmals Mastermind hinter einer heute legendären Band, die Musik für die Ewigkeit geschaffen hat, am Ende selbst vom Sockel stößt. Weil seine Konzerte eben immer mehr politischen Kundgebungen gleichen und die fantastische Musik auf ein Werbevehikel fragwürdiger Botschaften reduziert wird.

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