Morcheeba (foto: nicol vizioli)

Morcheeba

Honigsüße Vocals über hypnotischen Grooves: Morcheeba gehörten zweifellos zu den Pionieren des Trip Hops. Die Geschichte der britischen Band ist dabei eine voller Höhen und Tiefen.

Das erste Kapitel wird im Jahr 1995 aufgeschlagen. Die beiden Godfrey-Brüder Ross und Paul haben gerade angefangen, sich in der britischen Musikszene als DJs und Produzenten einen Namen zu machen. Doch ihre Lust wächst, auch mal selbst etwas auf die Beine zu stellen und nicht nur anderen zuzuarbeiten. Und so hauen die beiden unzählige Demos an britische Plattenfirmen raus, die aber von diesen ignoriert werden. Das Schicksal will es dann so, dass die Brüder auf einer Party in Greenwich Skye Edwards begegnen, die dort gerade bei einer Funk-Band als Background-Sängerin zu hören ist. Aus dem Duo wird ein Trio, und plötzlich wird die Band auch für Labels interessant. China nimmt Morcheeba unter Vertrag und veröffentlicht zwei EPs der Band. Das – hörbar von Massive Attack beeinflusste – Debütalbum „Who Can You Trust?“ erscheint aber bei American Discovery. Hier kommt das Beste aus vielen Welten zusammen: Skyes Vorliebe für Soul, Ross‘ Faible für Psychedelic Rock und Pauls Hang zum Hip Hop. Ein Mix, der aufgeht. Der Erstling schlägt ein, Morcheeba gelten schnell als gar nicht mehr so geheimer Geheimtipp. Touren mit Live und Fiona Apple folgen.

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1998 lässt die Band mit „Big Calm“ dann das zweite Album folgen. Morcheeba hatten die Zeichen der Zeit erkannt und ihre Sound-Palette stark erweitert. So setzt die Gruppe hier nicht mehr nur auf Trip-Hop, sondern spielt auch verstärkt mit anderen Genres wie Jazz, Reggae, Pop, Ambient/Lounge und Electronica. Auch die Entscheidung, Skyes Stimme mehr Raum zu gewähren, erweist sich als goldrichtig. Der Song „The Sea“ bekommt viel Airplay.

Der große Mainstream-Hit gelingt der Band dann jedoch im Jahr 2000. „Rome Wasn’t Built In A Day“, eine sehr süffige Pop-Nummer, die leicht im Gehörgang haften bleibt. Weil die Band sich aber mehr und mehr von ihren Wurzeln entfernt und immer weiter in Richtung Pop abdriftet, verlieren sie langsam aber sicher ihren Status als Kritikerlieblinge. Den gewinnen sie mit „Charango“ (2002) zwar nochmal für kurze Zeit zurück, seltsam ist hier aber: Skyes Rolle rückt ziemlich in den Hintergrund. Den Fans schwant Übles und sie sollten Recht behalten. Nach einer großen Welttournee und einem Best-Of-Album verlässt Skye Edwards die Band im Jahr 2004. Kreative und persönliche Differenzen werden als Hauptgrund angegeben, angeblich erfährt Skye von ihrem Aus durch einen Anruf des Managers. Die Gute schlägt danach eine Solokarriere ein und widmet sich der Familiengründung.

Die beiden Godfreys machen als Morcheeba weiter und holen sich zunächst mit Daisy Martey von Noonday Underground eine neue feste Sängerin ins Boot. Mit ihr nehmen die Gebrüder das Album „The Antidote“ auf, das 2005 erscheint, und ein Mix aus Acoustic und Psychedelia darstellt. So richtig zünden will das Ganze aber nicht, auch weil die alten Fans Schwierigkeiten haben, eine neue Sängerin zu akzeptieren. Die Zusammenarbeit zwischen Martey und den Godfreys ist nur von kurzer Dauer. Martey fliegt, nachdem sie aus gesundheitlichen Gründen nicht mit auf Tour gehen kann, und wird durch Jody Sternberg ersetzt, die aber auch nicht lang dabei bleibt. Martey zieht dann auch noch Paul Godfrey vor Gericht, unter anderem, weil ihr dieser an die Brüste gefasst haben soll.

2008 fahren die Godfreys dann bei ihrem Album „Dive Deep“ ein anderes Konzept. Keine feste Sängerin, sondern ein ganzes Arsenal an Gastsängern wird hier aufgefahren, darunter Thomas Dybdahl, Judie Tzuke, Manda, Cool Calm Pete und Bradley Burgess. Manda und Burgess gehen dann mit Morcheeba auf Tour.

2009 kommt es dann zu einer kleinen Sensation: einer Annäherung zwischen den Godfreys und ihrer Ex-Sängerin Skye, die immer noch beim gleichen Management unter Vertrag steht wie ihre früheren Kollegen. Nach einem ersten Treffen in London und etwas Bedenkzeit kommt es zur Wiedervereinigung des Trios. Auch, weil man der guten Frau, die mittlerweile als Solo-Künstlerin erfolgreich war und ist, das Zugeständnis macht, sie auch im Songwriting-Prozess einzuspannen. Beim Caprices Festival in der Schweiz gibt Skye 2010 ihr Live-Comeback, im Juni 2010 erscheint das Album „Blood Like Lemonade“. Das klingt ziemlich typisch nach Morcheeba, ist textlich zum Teil aber relativ düster geraten. Ein kleines Meisterwerk, mit dem die Band 18 Monate lang auf Tour geht. Der Nachfolger „Head Up High“ erscheint 2013, hier sind die Hip-Hop-Einflüsse wieder deutlicher spürbar.

2014 verlässt Paul Godfrey die Band, weil er sich mit seinem Bruder nicht mehr versteht. Das Ende der Band scheint eingeläutet, zumal die verbliebenen beiden Mitglieder 2016 ein Album unter neuer Flagge veröffentlichen: Skye und Ross Godfrey nennen sich jetzt Skye | Ross, machen aber Musik wie Morcheeba zu Anfangszeiten. Der Grund für den Namenswechsel? Wohl ein juristischer. Auch wenn Ross Godfrey erklärt: Es sei „einfach das, was ganz natürlich dabei herauskommt, wenn Skye und ich gemeinsam Musik machen. Es ist nicht zwangsläufig eine Fortsetzung unseres bisherigen Schaffens mit Morcheeba, deshalb wollten wir dem Ganzen eine neue Identität geben.“ Der musikalische Stil, dem das Duo auf dem Machwerk frönt, widerspricht der Aussage aber jedoch.

Die Angst der Fans, dass es mit Morcheeba endgültig zu Ende sein könnte, wird auch dadurch genährt, dass sich die Bandmitglieder vermehrt anderen Projekten zuwenden: 2015  veröffentlicht Skye ihr viertes Soloalbum „In A Low Light“, eine wunderbare Sammlung von Electronic-Soul-Stücken. Ross supportete unterdessen die Band Little Mountain, einem Laurel Canyon-beeinflussten Trio, in dem auch seine Frau Amanda Zamolo mitspielt.

2018 heißt es dann aber: aufatmen! Skye und Ross melden sich überraschend wieder unter dem Namen „Morcheeba“ zurück. Mit „Blaze Away” kündigen sie dabei sogar ihr neuntes Album an, das gleichzeitig einen Neuanfang in der Herangehensweise, aber auch eine Rückkehr zur Vermischung verschiedener Genres darstellen soll. „Wir haben wieder jene Einflüsse zugelassen, die auch die frühen Morcheeba-Platten auszeichneten – 50s-Blues, 60s-Psychedelic-Rock, 70s-Dub-Reggae, 80s-Electro und 90s-Hip-Hop“, so Produzent Ross Godfrey. Das Album hat auch einige bemerkenswerte Features und Kollaborationen zu bieten. Roots Manuva ist als Gast auf dem Titeltrack „Blaze Away“, zu hören. Der französische Star Benjamin Biolay singt gemeinsam mit Sängerin Skye Edwards auf dem sinnlichen „Paris Sur Mer“ und Kurt Wagner von Lambchop hat Texte für „Summertime“ verfasst.

 

DISCOGRAPHY

1996: Who Can You Trust?

1998: Big Calm

2000: Fragments Of Freedom

2002: Charango

2005: The Antidote

2008: Dive Deep

2010: Blood Like Lemonade

2013: Head Up High

2018: Blaze Away

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