Drangsal (foto: neon ghosts)

Live: Drangsal in Karlsruhe

Ja, auch einem deutschen Pop-Phänomen kann mal die Muffe gehen, wenn es backstage einem größeren Star begegnet. „Ich habe gerade mit Sido Pommes gegessen“, schwärmt Max Gruber alias Drangsal, nachdem er am Samstag gegen 16 Uhr die „Das Fest“-Bühne in Karlsruhe betreten hatte. Von den Zuschauerzahlen des Rappers ist er noch ein Stück entfernt. Nur wenige Zuschauer wollten Drangsals Auftritt bei dem Festival miterleben.

Die Sido-Lobhudelei ist ein Moment, wie man ihn selten bei Drangsal erlebt. Nicht nur, dass der junge Mann  in Interviews gerne mal mit Aussagen über andere Bands aneckt. Nein, auch seine musikalischen Vorlieben verortet man woanders. Eher in den achtziger Jahren, der Ära düsterer Synthie-Sounds, der Neuen Deutschen Welle und des Wave. Oft werden Gruber und seine Kapelle mit Bands wie The Cure, den Eurythmics und Joy Division verglichen. Drangsal nimmt das an, obwohl er Joy Division und The Cure eigentlich gar nicht so gern hört, wie er dem Deutschlandfunk Mal verriet.

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Und doch klingt er so, als sei er die Welle damals mitgeschwommen. Daher muss man sich immer diese Zahl vor Augen halten: 1993. 1993 (!) wurde Max Gruber in Herxheim (bei Landau) geboren, klingt dabei aber, als habe er 20 Jahre vorher im britischen Manchester das Licht der Welt erblickt. Ein Spätgeborener. Einer, der die übertriebene Geste des Achtziger-Jahre-Pops schätzt, die damalige Lust am Experimentieren, das Entdecken neuer musikalischer Möglichkeiten. Einer, der mit gerade mal 24 Jahren wie ein alter Hase über die alles zerstörende Digitalisierung schimpft.

Und so überrascht es nicht, dass Drangsal – den Künstlernamen hat er sich von einem Bestattungsunternehmen aus Landau ausgeliehen – auf der Bühne eben jene große Geste auspackt, jene Pose und Attitüde, die er bei anderen gegenwärtigen Künstlern vermisst. Als er da so vor dem Karlsruher Publikum steht, einen roten Cowboy-Hut auf dem Kopf, den nackten, tätowierten Oberkörper mit einer Weste bedeckt, da kommt einem unweigerlich Depeche Modes Frontmann Dave Gahan in den Sinn.

Ebenso wenig überraschend ist die Setlist. Drangsal hat natürlich vor allem Songs aus seinem 2016 veröffentlichten Debütalbum am Start, jenem Album, wegen dem ihn die deutschen Musik-Blogs und Fachmagazine als neues deutsches Pop-Phänomen feiern. „Harieschaim“ heißt die Platte. Die trägt zwar den historischen Namen seines Heimatorts im Titel. Berichte über Drangsal, die behaupten, dies sei auch die erste urkundliche Erwähnung Herxheims, sind aber maßlos übertrieben.

Der große Hype um Drangsal, er hat sich nicht bis nach Karlsruhe herumgesprochen. Der Spielfreude der Band tut das aber keinen Abbruch. Sie hat Lust, Songs wie „Will ich nur dich“, „Allan Align“ oder „Schutter“ machen auch Lust auf die Band. Mit „Und du? (10.000 Volt)“ gibt es zwischendurch sogar einen Track vom geplanten zweiten Album zu hören.

Nach 40 Minuten ist dann Schluss. Kurz und knackig war das Ganze, eine Zugabe gibt es nicht. Aber immerhin kennt man ihn jetzt in Karlsruhe, den Drangsal. Und wer weiß, vielleicht schwärmt ja Sido in zwei, drei Jahren: „Mensch, ich habe gerade Pommes mit Drangsal gegessen.

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