Element of Crime (foto: charlotte goltermann/universal music)

Live: Element of Crime

Laut Element of Crime soll man Whiskey niemals nachgeben. Wohl aber, zumindest bei ihrem Konzert in der Frankfurter Jahrhunderthalle, dem Drang, sich eine Zigarette anzustecken. „Dann kommt da ein Vorhang runter … und alles ist aus!“ witzelt Sven Regener, bevor mit „Damals hinterm Mond“ der Gig beginnt. Ja, damals wurde bestimmt auch noch geraucht, wenn man sich die Jungs ansah …

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Der junge Mann links neben mir ist zehn Jahre älter als ich und fragt ständig seine Angetraute, ob sie das eben gespielte Lied schon kenne. „Ja, das hab’ ich doch, ist auf Platte xy“, ist jedes mal ihre Antwort. Dieses Pärchenverhalten ist mir ein Rätsel, genau so wie die Existenz der „Einfügen“-Taste auf meinem Keyboard. Und auf der anderen Seite steht ein Mann, der zu jedem zweiten (genau jedem zweiten) Lied tanzt wie ein Duracell-Hase. Dabei könnte es alles so schön sein …

Man kann mit einem riesigen Wissenskatalog in ein Konzert gehen und mächtig stolz auf sich sein, oder man tauscht seine Bildung im Eingangsbereich gegen ein Bier ein, stellt sich kurz vor Konzertbeginn einfach direkt vor die Bühne und erlebt, wofür Element of Crime da sind: musikalische  Unterhaltung. Man vergisst alles um sich herum und taucht ab – und wer jetzt an Seemannsromantik denkt, verliert.

Element of Crime retten nicht nur, laut eigener (ironischer) Aussage, die Romantik, sie retten die Musik. Denn darauf kommt es bei ihnen an. Selbstverständlich sind die Texte schöner als ein Sonntag, der gleichzeitig auch ein good hair day ist. „Warum in unseren Liedern immer Flüsse vorkommen, wissen wir auch nicht. Da denken wir jetzt ein paar Jahre drüber nach.“ (Sven Regener). So viel zum Thema Texte. Trotz 30-jähriger Erfahrung im Touren und mittlerweile 13 Alben sind sie nicht abgehoben – Regener selbst betritt um kurz nach 20 Uhr die Bühne und sagt die Vorgruppe an; und sie nehmen sich nicht allzu ernst. „So viele Lieder haben wir ja nun auch nicht“, meint Regener. Aber sie machen Musik, als wäre das das einzige, wofür sie auf der Welt sind und es fühlt sich an, als machen sie das ausschließlich für dich alleine (sofern du denn alleine dort bist), und das gute 2 Stunden lang (so viel zum Thema, sie hätten nicht so viele Lieder).

Auf der Bühne geht es weniger programmatisch zu als im Publikum. Da werden die Lieder der neuen Platte, die allesamt in der Setlist auftauchen, besonders gefeiert, zu „Kaffee und Karin“ geschunkelt, zu „Am Ende denk ich immer nur an Dich“ gekuschelt, bei „Gelohnt hat es sich nicht“ verstohlen mit dem Fuß gewippt und bei „Delmenhorst“ pärchenhaft mitgegrölt (ganz besonders laut „Getränke Hoffmann“, was mir nun wieder gefällt, weil das nun die trivialste Zeile des Liedes sein mag). Dass Element of Crime, die für Genrevorstellungen höchstens den Vorschlaghammer übrig haben, derartigem Schubladendenken ausgesetzt sind, ist erstaunlich. “Letztendlich passt auf jeden Eimer ein Gesicht” denke ich und nehme einen Schluck (eingetauschtes) Bier. Aber eine Überraschung haben Element of Crime noch im Gepäck gehabt: Ein Lied, das sie vor dieser Tour noch nie live gespielt haben. „Immer nur geliebt“ wurde vor 15 Jahren für Leander Haußmanns Theaterstück „Peter Pan“ komponiert und erhielt eine relativ ausführliche Einführung von Sven Regener (wobei diese losging mit: „Muß man das wirklich erklären? Das versteht man eigentlich auch so! Ist aber schnell erzählt …“).

Gegen Ende des Gigs, nachdem Element of Crime zum ersten mal von der Bühne gingen, war es uns allen dann gleich zumute: wir wollten nicht, dass es schon vorbei ist. Doch so richtige Trauerstimmung kam noch nicht auf, es lag in der Luft, dass noch etwas Großes bevorsteht. Und dann gingen die Lichter aus und sehr helle Spots an, Element of Crime von hinten bestrahlt als scharfe Silhouetten: „Vier Stunden vor Elbe 1“ (in Gedenken an Helga Feddersen) beginnt. Mundharmonika (gespielt von Drummer Richard Pappik), Gitarre, Bass, Gesang und Trompete – und alles passte. Unspektakulär und mitten ins Herz. „Scheiß doch auf die Seemannsromantik“, singt Regener und spricht mir aus der Seele. Keine Kategorien für Musik, die einfach echt ist.

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